Denis Gäbel: Neon Sounds

Denis Gäbel

Neon Sounds

Double Moon Records DMCHR 71120

Häufig wird beklagt, dass unter den jungen Jazz Musikern so wenige einen eigenen unverwechselbaren Sound auf ihrem Instrument entwickeln. Zum Glück gibt es Ausnahmen wie Denis Gäbel. Der hat in den letzten Jahren stark und erfolgreich an seinem Tenorsaxofon-Sound gearbeitet, wie seine neue CD “Neon Sounds” demonstriert. Er klingt muskulös mit Anklängen an Sonny Rollins, dem er bereits eine Tribut-CD widmete, aber mit deutlich modernerer Konzeption. Gutes Beispiel dafür ist sein Solo zu Beginn von “Halfway Through”, einer seiner acht Eigenkompositionen, die auch die Dringlichkeit, den unbedingten Willen zu spielen deutlich macht, die Gäbels Musik prägen. Dieser Wille zeigt sich nicht nur bei den schnelleren Stücken, sondern auch und gerade in den Balladen, so etwa “Thick Blood” und der bluesigen Mingus-Komposition “Devil Woman”, die Gäbel mit atemberaubendem Spannungsbogen und meisterlichem Ton interpretiert. In der bestens besetzten Band glänzt Martin Gjakonovski mit seinem satten Bass-Sound, hat aber nur wenig Möglichkeiten zur solistischen Entfaltung. Auch Schlagzeuger Jonas Burgwinkel spielt sehr mannschaftsdienlich. Beide haben großen Anteil an dem durchgängig mitreissenden Groove. Viel Soloplatz steht Pablo Held an der Wurlitzer und dem Fender Rhodes zur Verfügung, den er weidlich nutzt, so etwa in “Dance of the Mule”. Diese CD ist ein eindrucksvoller Beleg für die enorme Qualität, die der deutsche Jazz in den letzten Jahren erreicht hat. Man darf auf die Live-Konzerte der Band im Herbst gespannt sein, dann mit Antonio Farao an den Tasten.

Hans-Bernd Kittlaus 31.03.13

Andreas Schickentanz: Chimera

Andreas SchickentanzSchickentanz

Chimera (zu beziehen über JazzHausMusik)

JazzHausMusik JHM 214

Posaunist Andreas Schickentanz legt mit “Chimera” seine zweite CD unter eigenem Namen vor, eingespielt mit seinem Quintett REFUGIUM, das seit 2010 besteht. Der Hörer spürt jederzeit die Vertrautheit der Bandmitglieder untereinander und mit den elf Eigenkompositionen des Leaders. Schickentanz prägt mit seinem sehr runden, kultivierten Posaunen-Sound die Musik und sticht auch solistisch hervor, etwa in “Jaune et Vert” oder dem Solostück “Solitary”. Ihm zur Seite steht der Tenorsaxofonist FI, der ähnlich wie Schickentanz musikalische Substanz über heldenhafte Virtuosität stellt. Die Musik bewegt sich überwiegend auf eher ruhigen Pfaden bis hin zu Lounge-Anklängen, so etwa in “Abbygail” mit der Sängerin Filippa Gojo als Gastsolistin. Abwechslung schaffen eine Sound Collage unter dem Titel “A Taxi Will Come” mit Taxi-Hupen und der Stimme eines Muezzins oder die gelungene Verjazzung des deutschen Volkslieds “Sah ein Knab ein Röslein stehn”. Schlagzeuger Jens Düppe hat großen Freiraum, den er gekonnt mit perkussiven Farben ausmalt. Gemeinsam mit Bassist Volker Heinze schafft er eine stabile rhythmische Basis, die den beiden Bläsern ebenso den Rücken freihält wie dem Pianisten Lars Duppler, der besonders mit seinem Solo in “Boviscophobia” (Angst als Herdentier angesehen zu werden) glänzt. Insgesamt eine CD, die mehrfaches Hören mit immer neuen musikalischen Entdeckungen belohnt.

Hans-Bernd Kittlaus 31.03.13

Pablo Held Trio: Live

Pablo Held Trio

Live

Pirouet PIT3066

Nach zwei Trio-CDs und einer Aufnahme in größerer Formation legt Pianist Pablo Held endlich seine erste Live-Aufnahme vor. Das Trio mit Bassist Robert Landfermann und Schlagzeuger Jonas Burgwinkel spielt schon seit vielen Jahren zusammen. In dieser Zeit haben sich Vertrauen und Vertrautheit entwickelt, auf deren Basis die drei zu einem Konzept der Gruppenimprovisation gefunden haben, in dem komponierte Stücke oft nurmehr als Sprungbrett oder als eingestreutes Zitat dienen. Die vorliegende Aufnahme aus dem Baseler Klub Bird’s Eye beginnt mit einem tastenden Hineinfinden in die Musik, das bald abgelöst wird durch einen kreativen Fluss, der sich aus den inspirierten Beiträgen der drei Protagonisten speist und erst 40 Minuten später endet. Titel- und Zeitangaben des Covers versuchen, dieser Zeitspanne eine Unterteilung zu geben, die aber für den Zuhörer keine praktische Relevanz hat. Der Grad der Freiheit der Improvisation ist beeindruckend, trotzdem behält die Musik Struktur. Technische Exzellenz dient als selbstverständliche Basis für das Umsetzen aller kreativen Ideen, in denen sich die Virtuosität des Trios als Organismus ausdrückt. Man spürt, wie konzentriert die Musiker sich gegenseitig zuhören und auf jede Nuance im Spiel der anderen eingehen. Ähnlich hohe Konzentration bestimmte offenbar auch das Verhalten der Zuschauer in Basel, die auf der CD kaum wahrnehmbar sind. Dabei hat diese Musik zumindest einen frenetischen Schlussapplaus verdient und wahrscheinlich auch bekommen, der aber leider ausgeblendet wurde.

Hans-Bernd Kittlaus 26.12.12

Gregory Porter in Hamburg

Der derzeitige Shooting-Star der Soul-Jazz-Szene überzeugte am vergangenen Freitag, den 12.09.2014, bei einem Open-Air-Konzert im Hamburger Stadtpark vor 4000 Besuchern und angenehmem Spätsommerwetter, gemeinsam mit dem Metropole Orkest aus den Niederlanden.  Das Kulturjounal Hamburg schrieb schon vorweg von “Gänsehautalarm”…und so war es dann auch. Das gewaltige Orchester in der Kombination von BigBand und kompletter Streicherformation mit rund 50 Musikern unter der Leitung von  Jules Buckley war in Topform. Zu den vielen Künstlern (Ella Fitzgerald, Sarah Vaughan, Pat Metheny, Mel Tormé, Stan Getz, Dizzy Gillespie, Clare Fischer, Bill Evans) aus dem Jazzbereich, die mit dem Orchester bereits auftraten,  gehört nunmehr auch Gregory Porter. Mit seinem Stimmvolumen war es kein Problem, dem Orchester gegenüber zu bestehen – alle hatten Spaß an der perfekten Performance und dem wunderbaren Abend – und entließen gegen 22.00 Uhr nach zwei Zugaben die Künstler nur ungern in die Nacht….